Die Recherche beginnt
Die Recherche beginnt und ist eine -einjährige- Reise, nach, durch, in Lübeck, Herzkammern. Jetzt. Winter. Dienstag, 5.12.23:
Der allererste Moment alleine. Die Augen auf, auf dass im Hirn und Herz was klingt.
Da dieser erste Moment ins fremde Unterkunfts-Zimmerchen kommend. Es ist immer der erste Moment, danach schon Gewöhnung und Ichheit.
Aber dieser erste Moment. Ein Kämmerchen ganz oben, fast unterm Dach. Klein und eine Behausung von wem gewesen? Draussen im Umfeld nichts als -beschneite- Giebelhäuser.
Könnte es hier sein oder hier oder hier?
Dieses Fenster dahinten, gegenüber im Giebel sieht wie Auge aus- dahinter meine Mädchen, Frauen denkbar?
Es schneit es schneit es schneit es schneit!
Warum macht es einen so froh?
Sitze viel später in der Schiffergesellschaft, rechts von mir laute Männlichkeit, links von mir, kommt kalter Wind aus Eingangstür, wer hat denn diesen Glaskasten wann in den historischen Raum geschummelt? Links, da schaue ich ununterbrochen hin, im Fenster zur Strasse hin, angeleuchtet, schweben, tanzen, eilen vielverschiedenste Schneeflocken vorbei- zum Boden, durch die Nacht, eine Freude. Während von rechts die angeheiterte Vorweihnachtsmännlichkeit redet und redet.
Im dunklen Raum, ein paar Herren schräg gegenüber. Mit mehr oder weniger „Charaktergesichtern“. Genau so kann ich mir die historischen Zunftsvorsitzenden, in ihrem Stolz und ihrer hanseatischen Sicherheit vorstellen.
Schiffe am Himmel. Echte Kerzen.
Die ganze Stadt ist weiss und Backsteinschönheit. Am Boden Matsch und Rutschen. Ich schlittere verlangsamt, aber Augen auf nach oben in eine wirkliche Zauberstadt. Natürlich weihnachtet es auch überall. Rote Sterne gegen die dunklen Rathausmauern.
Oder doch diese Häuserreihe? Nichtmal schön. Durch Pink und Senf und Nachbau hässlich und trotzdem noch verdammt cosy.
Einen tollen Platz von mehreren Gängen, die in einem offenen Platz zusammentreffen, gefunden….könnte das ein Ort sein?
Wie kann man sich all dem Annähern ohne Übergriffigkeit über die Geschichten/ das echte fremde Leben?
In die Stadtbibliothek in dunklem Lesesaal. Wenige nur wenig über die Bürgerfrauen. Ab und an Stiftsfrauen. Mehr weiss man nicht. Eine Kaufmannswitwe. Mit der Aufklärung, der große Versuch die Frauen auch ideologisch ins Haus zu binden- qua Natur und Charakter-
Dazwischen von Meng- zur Breiten Strasse, durch sargenge Gänge kriechen, im Riesenrad über das beschneite Ziegel-Dächermeer, Blick über die Trave in die weite weite Welt, hier in eine Kirche zum Wunschpunsch, da nochmal entlang der so genialen Kämmerchen im Heiligen Geist Hospital, eine Diskussion über Lübeck als Schwammstadt, den Diskurs der Spezialisten: Gespräch vom Denkmalpfleger zum Hydrologen. In Deutschland 1,5 % Architektur denkmalgeschützt. Aber dann könnte man doch entsiegeln - ja aber in Lübeck natürlich viel mehr! Dann fallen dem Hydrologen die Gärten Lübecks ein. Lübeck voll von Anbaufläche! Am Ende befrieden sich Biologin, Hydrologe und Denkmalpflege. Aufs Beste. Weiterschliddern, Zukunftsanlage in der Technischen Hochschule, über Eis weitergeschliddert, ein nächtlicher Whiskey Sour im Unrat oder gefallenen Engel- oder wo und wann sind wir eigentlich gerade hier?
Es taut. Die Bahn streikt. Der Schnee matscht und matscht. Weiter. Weg. Wiederkommen.
2023: Gesine Danckwart