Julia Kaiser ist freie Journalistin und arbeitet in Berlin für verschiedene Radiosender. Seit sechs Jahren betreut sie die Jungen Filmjournalisten bei den nordischen Filmtagen in Lübeck. Nachdem wir uns immer gegenseitig interviewen müssen, musste sie sich meinen Fragen stellen, damit man auch weiß wer hinter allem steht.
JFJ: Wie sind die Jungen Filmjournalisten entstanden?
Julia Kaiser: Vor zehn Jahren hatte ich erstmals die Idee dazu. Ich wollte, dass junge Leute ihre Meinung über Filme ausdrücken können. Und da der Journalismus eine große Leidenschaft für mich ist, wollte ich den Jugendlichen so eine Art Oase geben, wo sie alles ausprobieren dürfen. Das Projekt hat zum ersten Mal bei der Berlinale stattgefunden. Als ich dann in einem Jahr hier war, dachte ich, dass man hier gut dasselbe machen könnte und habe die Idee von der Berlinale weiter entwickelt. Als ich das Projekt Linde Fröhlich präsentierte, fand sie es fantastisch, denn sie findet, dass Kinder das beste Publikum sind, aber manchmal nicht wirklich ihre Meinung sagen können, weil sie keine Gelegenheit dazu haben. Daraus folgte dann, dass wir es einfach ausprobiert haben. Nach zwei Jahren kam dann auch das Kinder- und Jugendfilmzentrum in Deutschland hinzu und finanziert seither das Projekt.
JFJ: Heißt das, das du bei der Berlinale dasselbe machst, wie hier?
Julia Kaiser: Ja, es ist ganz ähnlich.
JFJ: Glaubst du denn, dass alle, die bei dem Projekt mitmachen, Journalisten werden könnten?
Julia Kaiser: Eigentlich kann jeder Journalist werden. Bei manchen merkt man, dass sie eine Begabung für den Beruf haben und andere nicht. Doch die haben dann eine andere Begabung; wenn ihnen zum Beispiel viel zu der Kameraführung auffällt, sind sie vielleicht eher mögliche Kameraleute. Außerdem kann es bei manchen hinderlich sein, wenn sie viele Rechtschreibfehler in ihren Texten haben. Ich bemühe mich, den Leuten ehrlich zu sagen, wie ich die Texte fand. Manchmal gebe ich Tipps, was sie besser machen könnten.
JFJ: Wird es die jungen Filmjournalisten nächstes Jahr wieder geben?
Julia Kaiser: Ja, dass hoffe ich doch! Ich kann jetzt nicht hundertprozentig auf jeden Fall sagen, weil ich nicht weiß, wie es mit dem Budget aussieht, aber ich hoffe es. Aber es wird auf jeden Fall eine kleinere Gruppe sein. Dieses Jahr waren wir 20 Leute und ich bin mit den Rückmeldungen für eure Kritiken nicht mehr mitgekommen...
JFJ: Was machen deiner Meinung nach die nordischen Filmtage besonders, oder sind die für dich überhaupt besonders?
Julia Kaiser: Doch, sie sind besonders. Sie sind exklusiv und haben eine sehr hohe Qualität. Und dass alles Dank Linde Fröhlich. Sie hat ein sehr gutes Gespür für Menschen und ich denke, dass ist auch das Geheimnis. Sie schafft es jedes Jahr, ein tolles Team zusammen zu stellen, dass super zusammenarbeitet, was nicht immer selbstverständlich ist. Ich denke, dass das auch die Filmemacher überzeugt, diese Herzlichkeit von Linde Fröhlich, es ist ja nicht selbstverständlich, dass zum Beispiel „Die Jagd“ von Thomas Vinterberg in Lübeck seine Deutsche Premiere hat. Das Festival ist auch sehr verankert in Lübeck selbst, bei den Bewohnern der Stadt - das alles macht das Festival aus.
JFJ: Was sagst du denn dazu, dass dem Festival die Gelder gestrichen werden sollten?
Julia Kaiser: Diese Idee war sehr schnell wieder vom Tisch! Ich meine, man muss sich nur mal angucken, wie viele Leute hier im Kino sind und ich denke, jeder in Lübeck weiß, was die Nordischen Filmtage sind - ob jeder hin geht, ist eine andere Sache. Vielleicht war es auch nur ein Trick von den Politikern.
JFJ: Warst du vorher auch schon als Journalistin hier und hast über die Nordischen Filmtage berichtet?
Julia Kaiser: Ja, ich war schon zweimal hier, bevor es die Jungen Filmjournalisten gab. Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt und dachte, das Projekt könnte hier gut hinpassen. Im ersten Jahr war es gar nicht so einfach, Werbung zu machen und ich hatte eine Gruppe von acht Leuten. Doch im Jahr drauf waren es schon mehr, denn jeder hat einen Freund mitgebracht oder die Geschwister und anderen davon erzählt. Ich nenne das: gesundes Wachstum. Denn es hätte nichts gebracht, wenn man zum Beispiel eine ganze Schulklasse da hingesetzt hätte, von denen dann die Hälfte der Schüler keine Lust hat mitzumachen. Die hätte ich dann erst mal begeistern müssen und die anderen hätten sich gelangweilt – da investiere ich meine Energie lieber in Leute, die sich darüber freuen.
JFJ: Sprichst du eine nordische Frage?
Julia Kaiser: Ich habe 1 ½ CD-Kurs-Kapitel Schwedisch gemacht und dann haben mir die Leute auf den CDs zu schnell geredet. (lacht) In diesem Sinne kann ich sagen: „Jag heter Julia och jag komma fran Berlin.“
JFJ: Wenn du jetzt noch mal mit der Schule fertig wärst, würdest du wieder Journalistin werden wollen?
Julia Kaiser: Ja! Ich hätte den Weg nur schneller gemacht. Als ich mit der Schule fertig war, habe ich mich erst nicht getraut, weil ich dachte, als Journalist muss man fiese Fragen stellen und ich bin dafür viel zu freundlich. Doch dann hab ich herausgefunden, dass das gar nicht nur der Fall ist und das Journalisten sich als allererstes in andere hinein versetzten können müssen und dass kann ich sehr gut.
JFJ: Hast du einen Lieblingsfilm von den Nordischen Filmtagen?
Julia Kaiser: Nein, eigentlich nicht. Am tollsten finde ich die Filme, wo ich hinterher aus dem Kino komme und denke, so was hab ich mir noch nie vorgestellt. Ich finde die Filme hier bei den Nordischen Filmtagen einfach insgesamt sehr gut.
JFJ: Würdest du gerne mal in der Kinder und Jugendjury sitzen?
Julia Kaiser: Ja, das wäre natürlich eine coole Sache, aber andererseits könnte ich dann nicht mehr die Jungen Filmjournalisten betreuen. Und das macht mir total viel Spaß!
JFJ: Wenn du dieses Jahr einen Preis vergeben müsstest, für die Kinderfilme, welcher Film würde ihn kriegen? Und wie viele Filme hast du überhaupt gesehen?
Julia Kaiser: Ich könnte keinen Preis vergeben, weil ich nur zwei Filme gesehen habe – ich war ja die meiste Zeit mit euch und euren Texten beschäftigt. Aber die waren beide sehr gut. Und zwar waren das: „Kompanie Orheim“ und „Der Eisdrache“.
JFJ: Hast du bei den Nordischen Filmtagen schon mal was total Verrücktes erlebt, was du noch nirgends er lebt hast?
Julia Kaiser: Überall wo Isländer sind, passieren verrückte Dinge…
JFJ: Welchen Schauspieler oder Regisseur würdest du gerne mal treffen?
Julia Kaiser: Mads Mikkelsen! Weil er einfach ein total attraktiver Schauspieler ist.
JFJ: Was war der längste Text, den du bis jetzt geschrieben hast?
Julia Kaiser: Das kann ich nicht sagen. Ich arbeite ja für das Radio… Aber wenn ich eine Sendung habe, die eine Stunde geht, dann schreib ich so um die 30 Seiten. Aber das ist dann eher so wie ein Drehbuch. Wenn man einen Artikel schreibt, dann hat der so ungefähr 4.500 Zeichen, dass sind dann vier Seiten, manchmal aber auch sechs, weil zwischendrin auch noch Bilder sind.
JFJ: Warst du auf einen Text oder auf ein Interview schon mal besonders stolz?
Julia Kaiser: So was sollte ja am liebsten recht oft passieren. Aber, wenn ich eine Kritik über eine CD mit klassischer Musik schreibe und diese mir super gefallen hat, dann versuche ich natürlich die richtigen Worte zu finden. So was hat ja auch immer etwas mit Sorgfalt zu tun. Außerdem, wenn ich einen Künstler und das was der macht so toll finde, dann möchte ich natürlich, dass er in dem Artikel in einem besonders guten Licht dasteht, damit alle Leute Lust haben, diesen Künstler und seine Arbeit kennen zulernen. Ich denke, als Journalist hat man sehr viel Verantwortung!
JFJ: Würdest du nach Lübeck ziehen wollen?
Julia Kaiser: Ich habe schon einmal kurz hier gewohnt, bin dann aber wieder nach Berlin zurückgegangen. Und als ich hier weg gegangen bin, dachte ich, dass es sehr schwer ist, in Lübeck Anschluss zu finden. Doch als ich dann die Jungen Filmjournalisten zum ersten Mal begleitet habe, habe ich gemerkt, dass die Lübecker doch sehr nett sind und Dinge am Herzen liegen, die mir auch wichtig sind, wie Kultur, ein gesunder Umgang mit der Natur und Umwelt und mit Kindern und Jugendlichen. Ich liebe Berlin, aber ich mag Lübeck auch.
JFJ: Würdest du gerne mal eine andere Funktion bei den Nordischen Filmtagen übernehmen? So was wie Linde Fröhlich zum Beispiel?
Julia Kaiser: Nein, so was wie Linde Fröhlich macht, könnte ich gar nicht machen. Denn ich denke, dass man sehr viel Erfahrung, Kontakte und Wissen braucht, um ein Festival zu leiten. Meine Erfahrungen und Qualifikationen kann ich besser bei den Jungen Filmjournalisten einfließen lassen und da wären wir wieder bei dem Thema, dass alle unterschiedliche Begabungen haben.
JFJ: Wie lange im Voraus planst du die Workshops der jungen Filmjournalisten?
Julia Kaiser: Ich plane die Workshops fast gar nicht im Voraus - und so arbeite ich auch als Journalistin. Die Filme, die wir während der Workshops gucken, sind Empfehlungen von Franziska Kremser, mit der ich mich vorher berate. Ich denke, dass ich eher auf das reagieren muss, was mir von euch angeboten wird. Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass wenn ich mir einen Plan überlege, ihn am Ende doch nicht einhalten kann oder er mich sogar einengt in meiner Aufmerksamkeit für das, was die Teilnehmer mitbringen oder mir abverlangen. Denn ich habe ja immer Erfahrene dabei, die schon vom Jahr davor wissen, was bei den Jungen Filmjournalisten abläuft und auch Leute, die zum ersten Mal dabei sind. Ich muss also aufpassen, dass ich die Neuen nicht überfordere, und die schon Erfahrenen darf ich nicht mit Grundübungen langweilen. Ich muss interessieren, überraschen und mache Leute, muss man ermutigen. Ich sehe das ganze wie ein Tennismatch, in dem ich das, was ihr mir vorgebt, verwandeln muss.
JFJ: Beschreibe die nordischen Filmtage in drei Worten.
Julia Kaiser: Warmherzig. Ästhetisch. International.
JFJ: Vielen Dank für das Interview!
Julia Kaiser: Danke für die tollen Fragen, das hast du gut gemacht!