Von dem linksextremen Jugendzentrum „Blitz“ zu den Neonazis. Ein ziemlich krasser Gegensatz - und kaum vorstellbar, dass ein junges Mädchen, das sich höchstens durch ihr rebellisches Wesen von anderen unterscheidet, während ihrer Jugend in beide Gruppierungen gekommen ist!
Karen Winther war in jungen Jahren im „Blitz“ tätig, fühlte sich dort nach einiger Zeit aber missverstanden, einfach falsch aufgehoben, was sie aus Hass gegen das Jugendzentrum dazu veranlasste, als „Spitzel“ zu den damals immer mehr werdenden Neonazis zu gehen.
Der Dokumentarfilm „Der Verrat“ gehörte zu den Filmen, die mich im Voraus am meisten angesprochen haben, besonders weil die Regisseurin und gleichzeitige Hauptdarstellerin ihren autobiographischen Film auch dazu nutzen wollte, schwere Traumata mit vielen ebenfalls Betroffenen aufzuarbeiten. Trotz hochspanneneder Thematik und vielen schockierenden Bildern (es ist kaum fassbar, dass es immer noch Menschen gibt, die aus voller Überzeugung auf offener Straße „Sieg Heil!“ brüllen) muss ich sagen, dass der Film mich recht wenig bewegt hat, teilweise sogar gelangweilt!
Mit filmischen Mitteln, Musik und Spannung arbeitet „Der Verrat“ meiner Meinung nach viel zu dürftig, selbst Szenen, in denen sich Karen Winther über ihre schrecklichen Fehltritte klar wird, an brutalste Demonstrationen erinnert und letzten Endes in Tränen ausbricht, lassen den Zuschauer beinahe erschreckend kalt. Dafür regt es umso mehr zum Nachdenken an, dass sie sich heute gar nicht mehr erklären kann, wie sich ihre Faszination für den Rechtsextremismus entwickelte, diese Zeit als „schrecklichen Irrweg“ bezeichnet und um auf dieses Thema aufmerksam zu machen auch noch einen Film über ihre Jugend dreht. Wenn sie es geschafft hat, aus dieser „Ecke“ (so nennt es eine befreundete Linksextremistin im Film) herauszukommen, sollte man dann nicht auch anderen Neonazis dazu verhelfen? Eines macht diese Dokumentation nämlich ganz deutlich: Man darf Neonazis nicht einfach als solche „abschieben“, weil es durchaus sehr schwer ist, aus der rechten Szene einen Ausweg zu finden.
Obwohl ich mir von diesem Film weitaus mehr erhofft hatte, ich hätte zum Beispiel sehr gerne erfahren, wie die Faszination für den Neonfaschismus entsteht, würde ich dennoch sagen, dass es sich lohnt, in „Der Verrat“ zu gehen. Aus aktuellem Anlass ist es gerade für Jugendliche, die sich doch sehr angesprochen fühlen sollten, sehr spannend, sich einmal ausführlicher mit diesem Thema zu befassen - und welche Meinung ist dazu geeigneter, als die einer jungen Frau, die in ihrer Zeit als Teenager sowohl links- als auch rechtsextrem tätig war?