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In memoriam Bernd Plagemann

Am Anfang unserer Verbindung stand eine Vernunftehe, keine Liebesheirat. Als das Kulturamt der Hansestadt dem Journalisten Bernd Plagemann - seinerzeit übrigens eine Entdeckung des Feuilletonisten Jan Herchenröder - die Leitung der XIII. Nordischen Filmtage antrug, lag Misstrauen in der Luft: auf Bernds Seite Ressentiments jeglicher Bürokratie gegenüber, seitens der Stadt die berufsmäßige Vorsicht im Umgang mit dem Freiberufler. Doch im Wesentlichen wurden wir uns bald einig: die Nordischen Filmtage müssen weiterleben - das schließlich war man Lübeck schuldig.

Denn es sah nicht gut aus für die Filmtage, damals zu Beginn des Jahres 1971: deren Rechtsträger, eine verdienstvolle Lübecker Bürgerinitiative in Vereinsform, hatte seine Auflösung beschlossen und sie der Stadtverwaltung kurz und bündig mitgeteilt. Gab es möglicherweise in kommunaler Regie eine sinnvolle Perspektive für die populäre, dem Kulturaustausch mit Nordeuropa verpflichtete Großveranstaltung?

Ja, weil sich die Interessen Bernds und der Hansestadt in diesem Punkt trafen. Die Partner erarbeiteten ein kulturpolitisches Konzept; sie fanden mit den Kammerspielen unseres Theaters eine geeignete Spielstätte und verständigten sich auf eine Geschäftsgrundlage, die für fünfzehn Veranstaltungsjahre Bestand haben sollte: "Sinn und Aufgabe der Nordischen Filmtage ist es, unter Anlegung ausschließlich künstlerischer Maßstäbe über die neueste engagierte Spiel- und Kurzfilmproduktion der skandinavischen Länder zu informieren, die Begegnung zwischen nordeuropäischen und deutschen Filmschaffenden und Journalisten zu fördern sowie durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit breitere Bevölkerungskreise, insbesondere die Jugend, für das jährliche Filmwochenende zu interessieren."

Wer war dieser Bernd Plagemann? Zunächst einmal: Bernd ist unter die Pioniere der Filmtage zu zählen, sollte später die Geschichte dieser traditionsreichen Veranstaltungsreihe geschrieben werden. Seiner Persönlichkeit vor allem, seiner Leidenschaft für das Kino und seiner Begeisterung für die Künstler vor und hinter der Kamera verdankt Lübeck heute sein Filmfestival und sein internationales Ansehen als Branchentreff der Kinoszene. Als die Hansestadt ihm die Filmtage anvertraute, war der damals zweiunddreißigjährige Lübecker als Theater- und Filmkritiker bei der in Kiel herausgegebenen Nordwoche für Insider zwar kein unbeschriebenes Blatt, aber der Öffentlichkeit weithin unbekannt.

Doch als er die - nebenberufliche, ausschließlich auf seinen Jahresurlaub konzentrierte - Arbeit für die Filmtage im Jahre 1986 aus eigenem Entschluss aufgab, um sich künftig ganz seinen beruflichen Verpflichtungen als PR-Chef und erfolgreicher Literatur-Produzent der Deutschen Grammophon zu widmen, konnte er der Anerkennung der Filmfreunde wie der Kommunalpolitiker sicher sein: das Festival, sein "Kind", für das er als ehrlicher Makler unter den Kollegen von der Presse wie auch in Skandinaviens Hauptstädten regelmäßig warb, war längst über die kulturelle Dimension hinaus- und in ein medienpolitisches Netzwerk hineingewachsen. Mit Bernds Abschied vom Vorsitz der Künstlerischen Leitung endete eine Ära, die auf äußere Ehrungen durch Preise oder Wettbewerbe verzichtete und die Filmkunst ebenso wie die Filmschaffenden ins Zentrum der jährlichen Werkschau rückte.

Am 2. November 2003 ist Bernd Plagemann in Hamburg im Alter von vierundsechzig Jahren gestorben. Noch in den letzten Stunden der 45. Nordischen Filmtage, am Sonntagabend, erreichte diese Nachricht auch die Gäste und die Mitarbeiter des Festivals. Gemeinsam trauern wir um einen guten Freund. Er hat uns ein wichtiges Stück unseres Lebensweges begleitet. Bernd, dessen Begeisterungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen und humanistische Bildung wir oft bewunderten, glaubte immer an die Zukunft der Lübecker Filmtage - vielleicht das wichtigste Vermächtnis, das er uns hinterlässt.

Hans-Gerd Kästner


 
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