nf2010-95 20. Oktober 1995

Erstmals in Deutschland: "Für Führer, Volk und Vaterland" von Dutschke-Sohn Hosea

LÜBECK. Er ist politisch mindestens ebenso engagiert wie sein Vater, der 1979 im dänischen Århus verstorbene Ex-Studentenführer, Rudi Dutschke. Allerdings bringt Hosea-Che Dutschke seine Kritik an der Gesellschaft nicht in lauten Demonstrationen auf der Straße, sondern in visueller Form auf der Leinwand zum Ausdruck. Jetzt ist der erste Film des in Dänemark lebenden Politologen auch in Deutschland zu sehen: Die Nordischen Filmtage Lübeck präsentieren die politisch brisante Dokumentation "Für Führer, Volk und Vaterland" als deutsche Erstaufführung.

Zusammen mit dem Produzenten Pablo Llambias hat der 27jährige ehemalige deutsche Soldaten interviewt, die in der Zeit zwischen 1941 und 1945 in Rußland stationiert waren. Die Männer berichten über ihre Jugend, die hohe Arbeitslosigkeit in den 30er Jahren und wie sie zur Wehrmacht gekommen sind.

Aber sie beschreiben auch ihre Gefühle und Ansichten, die gewissermaßen eine Legitimation ihrer Handlungsweise darstellen. Obwohl die meisten der ehemaligen Soldaten ihren blinden militärischen Aktionismus bereuen, wird auf erschreckende Weise deutlich, daß selbst 50 Jahre nach Kriegsende, immer noch unverbesserliche Alt-Nazis zu ihrem aussichtslosen Kampf "Für Führer, Volk und Vaterland" stehen.

"Ich habe den Film aus drei unterschiedlichen Gründen gedreht", berichtet Dutschke. "Zum einen denke ich, daß Jungs Kriege immer irgendwie interessant finden. Außerdem war mein Großvater damals dabei, und ich hatte nie die Gelegenheit, mich näher mit ihm über dieses Thema zu unterhalten. Drittens wollte ich erfahren, was in den Köpfen der Männer damals vorgegangen ist, und wie sie es heute sehen. Sicherlich spielt auch mein Vater eine gewisse Rolle, denn schließlich haben Eltern immer irgendeinen Einfluß auf ihre Kinder. Allerdings ist es keine Abrechnung mit der deutschen Vergangenheit. Wir haben die Männer einfach erzählen lassen und das Material anschließend zusammengeschnitten - ohne Bewertung. Um die Distanz zur heutigen Zeit besser rüber zu bringen, haben wir den Film mit Techno-Musik unterlegt."

Weniger mit den Tätern als mit den Opfern des Zweiten Weltkrieges setzt sich der Dokumentarfilm "Sperrstunde" auseinander. Er beschreibt den Alltag dänischer Widerstandskämpfer in der von Nazis besetzten Haderslev (Hadersleben) in Dänemark. Fünf Augenzeugen schildern ihre persönlichen Erlebnisse in den schweren Jahren von der Besetzung bis zur Befreiung. Fotos und Filmmaterial aus dieser Zeit veranschaulichen sehr eindrucksvoll die erschütternden Augenzeugenberichte.

Beide Produktionen entstanden mit Hilfe der Dänischen Videowerkstatt. Neben "Für Führer, Volk und Vaterland" und "Sperrstunde" präsentiert die Talentschmiede für junge Filmemacherinnen und Filmemacher auf den Nordischen Filmtagen noch die Dokumentarfilme "Der makabre Tanz" - eine Mixtur aus Computer- und Puppenanimation - von Eric Destailleur sowie "Mehl, Salz, Wasser" von Katrine Nyholm und Jan Rüsz. Der Film erzählt vom Alltag einer 77jährigen Bosnierin in einem dänischen Flüchtlingslager, die darauf besteht, etwas Normalität in den Alltag zu bringen - sie backt Brot. +++



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